Ohne Vorankündigung hat die Islamische Republik 16 politische Gefangene mit teils langjährigen Haftstrafen freigelassen, darunter 7 Frauen. Größtes Aufsehen erregte die Freilassung der Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh, verurteilt zu 11 Jahren Haft und 20 Jahren Berufsverbot, die noch vor wenigen Monaten mit Hungerstreiks das Besuchsrecht für ihre minderjährigen Kinder erstreiten musste.
Auch Feizollah Arabsorkhi, ehemaliger Vize-Handelsminister des reformorientierten Präsidenten Khatami, sowie dessen Vizeaußenminister Mohsen Aminzadeh zählen zu den prominenten Freigelassenen. Der Politiker Mir Taher Moussavi wurde ebefalls im Verlauf der Proteste der Grünen Bewegung gegen den Wahlbetrug von 2009 verhaftet.
Bisher wurden drei Journalisten aus der Haft befreit: Mahsa Amrabadi (ihr Ehemann Massoud Bastani, ebenfalls Journalist, ist noch im Gefängnis), Ahmad Zeidabadi, und Mehdi Mahmoudian. Ihr Kollege Issa Saharkhiz bleibt, entgegen anfänglichen Nachrichten, weiter inhaftiert. Ebenso wie 106 weitere iranische Journalisten und Blogger, die nur aufgrund der Verbreitung unliebsamer Nachrichten in den Gefängnissen der Islamischen Republik ausharren müssen.
Einige der weiblichen Freigelassenen wie Farah Vazehan, Maryam Jalili, Mahboubeh Karami, Jila Makvandi und Nahid Malek-Mohammadi haben ihre Haftstrafen größtenteils verbüßt und kamen unter Auflagen frei.
Nader Babaei, Hossein Zarrini und Mohammad Ali Velayati vervollständigen diese kurze Liste. Es fällt auf, dass keine Bahais, Gonabadi-Derwische, Kurden, Sunniten oder iranische Araber aus Ahwas freigelassen wurden. Manchen von ihnen droht die Todesstrafe.
Rouhani hat sein Wahlversprechen, die politischen Gefangenen freizulassen, teilweise eingelöst. So kurz vor seinem ersten Auftritt vor der UN-Vollversammlung in New York ist dies natürlich als Geste des guten Willens zu verstehen, aber es genügt nicht. In Iran gibt es noch Hunderte von politischen Gefangenen, deren Haft strafrechtlich unbegründet ist. Auch die Oppositionsführer Mir Hossein Moussavi, Mehdi Karroubi und Zahra Rahnavard stehen seit über zwei Jahren ohne Anklage unter Hausarrest.
Es bleibt daher die Frage, ob diese plötzliche Nachgiebigkeit einen echten Wandel in der iranischen Innenpolitik ankündigt oder rein taktisch bedingt ist. In den vergangenen Wochen sind durchaus Änderungen zum Besseren zu beobachten: für einige „missliebige“ Studenten wurde das Studierverbot aufgehoben, geschasste Professoren kehren an die Uni zurück, radikale Rektoren wurden von ihren Posten entfernt.
Auch im Bereich der Wirtschaft kehren allmählich wieder normale Verhältnisse ein. Nach 8 Jahren von Ahmadinedjads Lügenpropaganda, ungehinderter Korruption (Bankenskandal) und dem Ausverkauf wirtschaftlich sensibler Bereiche an die Revolutionsgarden scheint sogar der Oberste Führer Khamenei ein Einsehen zu haben. Allerdings müssen er und Rouhani sich weiterhin den unersättlichen Militärs beugen, die nicht nur den wichtigen Ölsektor, Telekommunikation und die Importwirtschaft (Schmugglerbrüder) kontrollieren. Sie beanspruchen auch politisches Mitspracherecht, wie auf diesem Blog häufig nachzulesen, und mischen sich schamlos in die Außenpolitik ein – mit verheerenden Folgen, wie Ölembargo und Sanktionen beweisen.
Sollte es Rouhani, vor allem aber Khamenei, der die Revolutionsgarden zum Machterhalt braucht, nicht gelingen, die allzeit zum Zuschlagen bereiten Sepahi und Bassidji unter ihre Kontrolle zu bringen, werden die guten Nachrichten von heute nur Kosmetik bleiben. Zumal die Revolutionsgarden als Ankläger und Vollstrecker zugleich, parallel zur Justiz, über eigene Gefängnisse verfügen.
Die Anerkennung der Bürgerrechte aller Iraner, vor allem der ethnischen und religiösen Minderheiten, ist zwingende Voraussetzung für eine echte Verbesserung der miserablen Menschenrechts- und Wirtschaftslage. Als vierte Macht im Staat würden freie Medien dazu beitragen, die grassierende Vetternwirtschaft im Regime zumindest teilweise einzudämmen. Ebenso könnten die NGOs ungehindert Aufgaben wie Umweltschutz, Katastrophenschutz, Suchtprävention oder Kinderhilfe übernehmen, bei denen der Staat bisher versagt hat. Erst wenn Rouhani die Wahlversprechen für mehr persönliche Freiheiten einlöst, kann man von einem Richtungswechsel in Iran sprechen.