Vom Tellerwäscher zum Milliardär – offensichtlich ist das auch in Iran möglich, wenngleich unter ganz anderen Voraussetzungen.
Babak Zanjanis Name wurde erstmals in der skandalträchtigen Parlamentssitzung vom 3. Februar 2013 publik. Zur Verteidigung seines umstrittenen Arbeitsministers enthüllte Ahmadinedjad die Machenschaften von Fazel Larijani, dem Bruder seines schärfsten Kontrahenten und Parlamentspräsidenten Ali Larijani. Auf dem wenig später veröffentlichten Videoprotokoll fungierte Zanjani als Vermittler zwischen Fazel Larijani und dem berüchtigten Ex-Staatsanwalt von Teheran Said Mortazavi, dem wegen der Morde im Kahrizak-Gefängnis der Prozess gemacht werden soll.
Bei dem Treffen bot Fazel Larijani dem ehemaligen Staatsanwalt offenbar an, sich bei seinen einflussreichen Brüdern für eine milde Strafe einzusetzen, wenn er dafür im Gegenzug eine Staatsfirma aus dem Imperium des Sozialversicherungsfonds günstig erwerben könne.
Aber wer ist Babak Zanjani, und welche Rolle spielt er in der iranischen Wirtschaft? Das aufschlussreiche Feature von VoA beschreibt, wie der einfache Kaufmann, der im Jahr 2000 mit wenigen Millionen Tuman die Kosmetikfirma Kont in Istanbul gründete, innerhalb eines Jahrzehnts zum Boss der Sorinet Group, einem weltweit agierenden Wirtschaftsimperium aufstieg.
Die Sorinet Group ist mit 64 Firmen oder Holdings in fast allen Geschäftsbereichen tätig: von der Baubranche und Hotellerie über das Finanzwesen bis hin zum Flugverkehr. Abgesehen von zwei Fluglinien verfügt sie mit Rah Ahansogar über einen eigenen Fußballclub.
Babak Zanjani gehört außerdem die First Islamic Investment Bank Ltd (FIIB), die Investoren und Beteiligungsgesellschaften in Indonesien und der betreffenden Region islamische finanzielle Lösungen anbietet. Die FIIB ist eine Tochtergesellschaft der Bank Muamalat Indonesia Tbk (die erste und eine der führenden islamischen Banken Indonesiens) unter der Gerichtsbarkeit der Labuan Offshore Financial Service Authority (LOFSA) in Malaysia.
Die Sorinet Group und die FIIB (First Islamic Investment Bank)
Den EU-Sanktionen vom Dezember 2012 zufolge agiert Babak Zanjani als “wichtiger Mittelsmann für iranische Ölgeschäfte und für den Transfer von Geldern aus Ölgeschäften“. Als Inhaber der First Islamic Investment Bank nutzt er diese zur Kanalisierung von Zahlungen aus iranischen Ölgeschäften.
Babak Zanjani in seinem Privatjet mit Hassan Mirkazemi
Das illegal aufgenommene Video zeigt außer Babak Zanjani auch den Bassidj-Führer Hassan Mirkazemi (hier im Privatjet des Firmenmagnaten). Mirkazemi ist unter anderem bei einer Firmenbesichtigung neben Ahmadinedjads ehemaligem Industrieminister zu sehen.
Den Vorwurf der Beteiligung an Larijanis Erpressungsversuch hat Babak Zanjani kürzlich in einem Interview mit BBC Persian bestritten. Er sei lediglich ein Geschäftsmann, der mit einem Privatvermögen von 4 Milliarden Euro insgesamt 117 Firmen des Sozialversicherungsfonds in Iran kaufen wolle. Von daher erkläre sich auch seine Beziehung zu Said Mortazavi, dem mittlerweile abgesetzten Chef dieses Fonds.
Mirkazemi bezeichnet er als guten Freund, der wegen seiner Tätigkeit in einer „Sicherheitsabteilung“ eine Waffe benötige. Das Foto, das ihn bei den Wahlprotesten von 2009 auf dem Motorrad zeigt, besage nichts. Er habe nur seinen Job gemacht!
Die Frage, wie Babak Zanjani es in so kurzer Zeit zum Dollar-Milliardär gebracht hat, ist damit zwar immer noch nicht beantwortet, seine guten Beziehungen zur Bassidj-Miliz wie auch seine Rolle als international agierender Öl-Broker lassen aber vermuten, dass er als Strohmann der allmächtigen Revolutionsgarden fungiert. Angesichts der massiven Sanktionen des Westens, die insbesondere den einnahmeträchtigen Ölsektor weitgehend blockiert haben, dürfte er im Auftrag von Ahmadinedjads Ölminister Rostam Ghassemi über zweifelhafte Kanäle in Ostasien zur Umgehung des Öl-Embargos beitragen. Als ehemaliger General leitete Ghassemi von 2007 bis 2011 den ebenfalls sanktionierten Wirtschaftstrust der Revolutionsgarden Khatam al-Anbia. Es sollte deshalb nicht weiter verwundern, wenn Zanjani sich gegenüber dem BBC über die „unfairen Sanktionen“ der USA und der EU beschwert.
Auswahl der 64Firmen von Babak Zanjanis Firmenimperium Sorinet
In den vergangenen drei Tagen hat die iranische Währung erneut einen herben Wertverlust erlitten. War am 30. September der US-Dollar auf dem freien Markt noch für 2977 Tuman (29770 Rial) erhältlich, so musste man am 1. Oktober zunächst 3225 Tuman und bei Ladenschluss bereits 3500 Tuman hinblättern. Gestern schließlich spielten die Wechselkurse Achterbahn, angesichts von Umtauschkursen von 3260 bis zu 3900 für den Dollar schlossen viele offizielle Wechselstuben in Teheran. Insgesamt hat der Rial seit Ende 2011 gegenüber dem US-Dollar rund 80 Prozent an Wert verloren.
Angesichts dieser chaotischen Verhältnisse erwarteten viele Iraner klärende Worte von Ahmadinedjad. Nach seinem wenig erfolgreichen Auftritt bei der UN-Vollversammlung in New York hatte er gestern eine landesweit ausgestrahlte Pressekonferenz angesetzt. Dabei ging es auch um die sogenannte „Devisenbörse“, die seit einer Woche iranischen Geschäftsleuten Dollars zu 2 Prozent unter dem freien Marktwert anbietet. Anstatt die nervöse Bevölkerung zu beruhigen, die mit einer Inflationsrate von über 30 Prozent zu kämpfen hat, goss Ahmadinedjad erst recht Öl ins Feuer.
Für den Sturzflug des Rial machte er die Wirtschaftssanktionen der USA und Europas verantwortlich, unterstützt von einheimischen Gegnern seiner Regierung unter Leitung von 22 einflussreichen Rädelsführern. Zugleich beschuldigte er sämtliche wichtigen Gruppierungen wie Revolutionsgarden, Parlament und Justiz und indirekt auch den Obersten Führer Khamenei, seine ehrliche Politik zu durchkreuzen. Am Ende drohte Ahmadinedjad, der 2009 nur durch Wahlbetrug als Präsident im Amt bleiben konnte, sogar mit seinem Rücktritt. Pikanterweise gilt diese Drohung Khamenei, der ihm durch brutale Unterdrückung massiver Proteste der oppositionellen Grünen Bewegung mit Hilfe der Revolutionsgarden zur Wiederwahl verholfen hatte.
Demonstration in Teheran (Juni 2009)
Nach Ahmadinedjads Rede stürzte der Rial erneut ab, von 3260 auf 3660 Tuman. Der Streik der Basarhändler und die heutigen Proteste in Teheran sind insofern eine direkte Reaktion auf seine Rede.
Tatsächlich ist es Ahmadinedjad, stets unterstützt von Khamenei, der mit seiner verantwortungslosen Wirtschaftspolitik diese Krise verursacht hat. Anstatt die enormen Öleinkünfte der vergangenen sieben Jahre in die iranische Industrie zu investieren, begünstigte er durch künstliche Stützung des Rials die Importe und ruinierte damit einheimische Produzenten. Subventionskürzungen im Energiesektor haben das produzierende Gewerbe weiter geschwächt, die versprochenen staatlichen Ausgleichszahlungen blieben aus. Stattdessen verteilte Ahmadinedjad einen Bruchteil der gesparten Ausgaben an die Bevölkerung, um die Inflation weiter anzuheizen. Unterdessen betätigte sich die ihm unterstellte iranische Zentralbank als Gelddruckmaschine, um das notorische Haushaltsdefizit auszugleichen.
Proteste in Teheran (3. Oktober 2012)
Zugleich wuchs die Macht der Revolutionsgarden und ihresKonzerns Khatam al-Anbia, der schätzungsweise 40 Prozent der einheimischen Wirtschaft kontrolliert. Mit der Ernennung des ehemaligen Revolutionskommandeurs Rostam Ghassemi als Erdölminister sind die Öleinkünfte vollends unter Kontrolle der mächtigen Paramilitärs geraten.
Ahmadinedjad ist mit dem Versuch, die restlichen Bestände durch seine „Devisenbörse“ zu verteilen, um den rasanten Wertverfall des Rials zu stoppen, vorerst gescheitert. Die heutigen Proteste der Basarhändler in Teheran und Maschhad könnten deshalb Vorboten größerer landesweiter Aufstände sein.
Anti-Aufruhrpolizei in Teheran (EPA)
Ende September hatten 20.000 iranische Arbeiter aus allen iranischen Provinzen Lohnerhöhungen vom Arbeitsminister gefordert. Rasante Inflation, steigende Arbeitslosigkeit wegen Fabrikschließungen, und düstere Wirtschaftsaussichten treiben immer größere Teile der Bevölkerung in die Armut. Seit gestern steht außerdem fest, dass Ahmadinedjad kein Rezept zur Eindämmung dieser Krisen parat hat. Bedeutet das also das Ende seiner Regierung?
Demo in Teheran (3. Oktober 2012)
Die Antwort lautet vorläufig: nein. Ahmadinedjads Entmachtung würde Khamenei, der alle Zügel in der Hand hält, in noch viel größere Bedrängnis bringen, zumal er selbst für dessen „Wiederwahl“ verantwortlich ist. Die gestrigen Attacken seines unbotmäßigen Schützlings kann er allerdings ebenfalls nicht unbeantwortet lassen, ohne weiter an Autorität zu verlieren. Zudem hat der Putschist nicht nur die Basaris, sondern sämtliche einflussreiche Organe des Systems verhöhnt. Khamenei müsste also durchgreifen, was angesichts seiner notorischen Feigheit allerdings kaum zu erwarten ist.
Sollten sich die politische und wirtschaftliche Krise weiter verschärfen (wovon auszugehen ist), könnte es sogar zu einem Putsch der allmächtigen Revolutionsgarden kommen. Iranische Experten halten diese Lösung angesichts des Autoritätsverlustes für Khamenei und die Islamische Republik insgesamt für wenig wahrscheinlich. Es wird sich zeigen, ob der Oberste „Führer“ den drohenden Zerfall des Systems, das bereits durch die Proteste nach dem Wahlbetrug von 2009 und den Ausschluss der oppositionellen Reformbewegung ins Wanken geraten ist, noch einmal abwenden kann.