Anfang Juli 2012 starteten iranische Aktivisten auf Facebook “No to Mandatory Hijab”, eine neue Kampagne gegen die Zwangsverschleierung in der Islamischen Republik. Obwohl das islamistische Regime seit 33 Jahren darum kämpft, iranische Frauen und Mädchen zu „guten Musliminnen“ zu erziehen, zeugen die alljährlichen Razzien der berüchtigten Gasht-e Ershad vom Scheitern dieses Projekts. Besonders zu Beginn der Sommerzeit schwärmen die Brigaden der Moralpolizei in Teheran und anderen iranischen Großstädten aus, um der unzüchtigen Entblößung des Kopfhaars oder allzu auffälligem Makeup Einhalt zu gebieten.

Solche Razzien richten sich beileibe nicht nur gegen Frauen, auch Männer müssen sich wegen „unislamischer Frisuren“ verantworten. Ebenso verpönt und strafbar sind andere Auswüchse der „vulgären westlichen Kultur“ wie Halsketten und Herrenshorts.

All das, insbesondere die vollständige Bedeckung des weiblichen Körpers, ist nirgendwo im Koran vorgeschrieben. Dort steht nur, dass Frauen sich bedeckt halten sollten. Natürlich scheren solche Feinheiten die schiitischen Mullahs nicht, schließlich beziehen sie ihre politische Legitimation und ihren Anspruch auf die Weltherrschaft über die Muslime, inklusive der sunnitischen Mehrheit, aus dieser fundamentalistischen Lesart des Koran.
Als besonders heftiger Verfechter der Zwangsverschleierung gilt der Abgeordnete Ali Motahari. Erst kürzlich attackierte der Hardliner Ahmadinedjads laschen Umgang mit den Moralgesetzen und schlug ihm vor, in Iran Cabarets zu errichten. Das Mitglied der parlamentarischen Kulturkommission (unten rechts) beschwört seit Jahren „die Ideale der Islamischen Revolution“ und warnt vor ihrem Untergang.

Kulturkommission des Parlaments
Indes verzeichnet die Facebook-Kampagne gegen den Hidjab immer größeren Zulauf. Prominente Künstler, Wissenschaftler und Journalisten, aber auch gemäßigte Politiker, Geistliche und Studenten beiderlei Geschlechts bekennen im In- und Ausland plakativ ihre Unterstützung, wie zum Beispiel der beliebte Satiriker Alireza Rezaie aus dem Pariser Exil.

Der enorme Zuspruch für diese Aktion, wegen der allmächtigen Zensur bisher nur im Cyberspace, hat auch gemäßigtere Geistliche in Iran aufgerüttelt. Angesichts der vorwiegend jungen, progressiven Bevölkerung des Landes verurteilte der Mohammad Ali Ayazi die harsche Verfolgung und erklärte, das Tragen eines Kopftuchs sei Privatsache. Der Staat dürfe keine Strafen für Frauen vorsehen, die sich nicht entsprechend kleideten, schreibt der prominente Theologielehrer: „Dazu gibt es keine religiöse Legitimation.“
Inzwischen hat sogar Naeimeh Eshraghi, Enkelin des Revolutionsführers Khomeini, die Zwangsverschleierung kritisiert. Pikanterweise behauptet sie zugleich, ihr Großvater hätte diese nie befürwortet. So unhaltbar solche Behauptungen auch sein mögen, sie beweisen doch, dass das Regime der Mullahs angesichts des wachsenden Unmuts der iranischen Bevölkerung über die permanente Bevormundung in die Defensive geraten ist.