Shahin Najafi lässt sich offensichtlich nicht beeindrucken von Todesdrohungen aus Iran und dem Kopfgeld von 100.000 US-Dollar, das die regimenahe Website Shia Online auf ihn ausgesetzt hat. Gestern veröffentlichte er einen neuen Song aus dem Unterschlupf beim Schriftsteller Günter Wallraff. „Istadeh mordan“ (Aufrecht sterben) ist der trotzige Widerspruch des Dichters gegen die Vertreter eines radikalen Islam, der gegen Andersdenkende Hass und Mord propagiert – hier der Text auf Englisch.
Bereits im ARD-Interview hatte der Kölner Rapper erklärt, er werde sich nicht den Mund verbieten lassen, sondern weiter die Missstände in Iran anprangern, gegen die die Grüne Bewegung nach der gefälschten Präsidentschaftswahl von 2009 protestiert hatte.
Inzwischen haben 40 sogenannte „Schriftsteller“ des Religionsverlags Rah-e Nikan die Tantiemen ihrer Bücher demjenigen versprochen, der die Todes-Fatwa gegen Najafi ausführt. Interessanterweise wird er im Statement als „kolonialistischer Agent“ bezeichnet, der die „Verschwörung“ Salman Rushdies in Iran fortsetzen soll. Wegen seines Romans „Die satanischen Verse“ hatte der verstorbene Revolutionsführer Khomeini 1989 eine Todes-Fatwa gegen den britischen Autor verhängt. Offenbar sollte mit diesem Mordaufruf auch der gerade zelebrierte 23. Todestag des Imam gewürdigt werden.
In jedem Fall gehen die Diskussionen über Najafis provokativen Song „Naghi“ weiter. Das Zentralorgan der weitgehend vergessenen marxistischen Tudeh-Partei echauffiert sich über die angebliche Ruhmsucht des Rappers, der mit seinen skandalträchtigen Songs prominente iranische Sängerinnen wie Googoosh zu übertrumpfen versuche. Außerdem wird ihm vorgeworfen, mit seinem Pessimismus die Möglichkeit von politischen Veränderungen in Iran zu leugnen, welche die Grüne Bewegung repräsentiert. Abgesehen von der absichtlichen Verwechslung von Ursache und Wirkung, scheinen sich die gestrigen Genossen bei der Jugend von heute einschmeicheln zu wollen.
Eine weitaus üblichere Variante des Rapper-Bashings stammt von Abdolkarim Soroush, einem Vordenker des Islamismus iranischer Prägung. Der mittlerweile exilierte und zum Reformer mutierte Philosoph attackiert Najafi wegen seiner Verhöhnung des Islam, kritisiert aber auch die Todes-Fatwa der Mullahs als andere Seite derselben Medaille. Unter Berufung auf Kant und Hegel (ausgerechnet!) verdammt er die Islamgegner, die im Namen der Meinungsfreiheit die Religion beleidigten anstatt sich dem Aufbau des Landes zu widmen. Auch Soroush geht es nicht um den Text oder künstlerische Freiheit, sondern um die Abrechnung mit politischen Gegnern, in diesem Fall iranischen Säkularen, die die Trennung von Staat und Religion fordern. Die Kommentare sind entsprechend sarkastisch: Soroush trauere offenbar postrevolutionären „goldenen Zeiten“ nach, als Intellektuelle von iranischen Universitäten vertrieben wurden, um Pseudo-Philosophen seines Schlags Platz zu machen.
Die anhaltende Diskussion bestätigt im Wesentlichen Günter Wallraffs kluge Bemerkung, Najafi gehöre „jetzt vorrangig zu denen, die vielleicht als Beschleunigerteilchen das Ende so eines grausamen menschenrechtsverletzenden Regimes betreiben.“
05/06/2012 at 22:07
Reblogged this on Ubeudgen’s Blog.
06/06/2012 at 14:31
[…] radikalen Islam, der gegen Andersdenkende Hass und Mord propagiert – hier der Text auf Englisch. Weiter lesen bei Arshama3 Teilen Sie dies mit:TwitterFacebookE-MailMehrDruckenStumbleUponDiggRedditGefällt mir:Gefällt […]
06/06/2012 at 15:04
Rapper Shahin Najafi trotzt der Fatwa…
Shahin Najafi lässt sich offensichtlich nicht beeindrucken von Todesdrohungen aus Iran und dem Kopfgeld von 100.000 US-Dollar, das die regimenahe Website Shia Online auf ihn ausgesetzt hat. Gestern veröffentlichte er einen neuen Song aus dem…
06/06/2012 at 15:06
Zum ersten Mal lese ich von Sorush über „atheistischen Philosophen“. Bisher waren ja Feuerbach, Marx und so weiter ja es nicht Wer in „seiner Philosophie“ erwähnt zu werden.
Von Ethik spricht unser Philosoph also und Beleidigung. Doch erinerrst du dich lieber Arshama, wie er den Autor Mahmud Dolat-Abadi für ein bisschen Kritik attackierte?
Ich zittiere:
„ه جستجو برآمدم که قصه چيست و محمود دولتآباد کيست. خبر آوردند خفتهاي است در غاري نزديک دولتآباد که پس از 30 سال ناگهان بيخواب شده و دست و رو نشسته به پشت ميز خطابه پرتاب شده و به حيا و ادب پشت کرده و صدا درشت کرده و با «سخافت و شناعت» از معلمي به نام عبدالکريم سروش سخن رانده و او را «شيخ انقلاب فرهنگي» خوانده و دروغ در دغل کرده و متکبرانه با حق جدل کرده است. و اين همه عقدهگشايي و ناخجستگي در مجلسي به نام و حمايت از مهندس موسوي که در پي پوشيدن قباي خجسته صدارت است.“
Das ist Dr. Sorush, der „moderne Denker“. Was erwarten wir also von Ajatollahs unsere Nation? Er attackierte ja auch Salma Ruschdi, und ich glaube er hat das Buch gar nicht gelesen.
Eigentlich wollte ich nur danke sagen, für dieses gut recherchierten Artikel. Dann fiel mir ein, dass wir nicht zulassen dürfen, dass es in den Medien gesagt wird, Sorush sei der Denker unserer Nation.
Bedrood,
07/06/2012 at 19:26
Vielen Dank, lieber Nima!
Soroushs Kritik an Doulatabadi hatte ich nicht mitbekommen, aber sein unverschämter Kommentar zu einem unserer besten Schriftsteller ist irgendwie typisch für solche „modernen Denker“. Ihr Problem ist, dass sie 600 Jahre zu spät kommen ;-)
06/06/2012 at 15:09
[…] Sie auf Arshama3′s Blog den gut recherchierten Artikel über den neuen Song von Shain Najafi “Aufrecht sterben” und alle weitere Neuigkeiten […]
08/06/2012 at 15:25
[…] diesem Zusammenhang würde wir auch gerne auf den sehr guten Artikel “Aufrecht sterben – Rapper Shahin Najafi trotzt der Todes-Fatwa” auf Arshama3′s Blog hinweisen. Wir haben uns besonders über den Seitenhieb auf die Idioten […]
10/06/2012 at 15:08
[…] Sie auf Arshama3′s Blog den gut recherchierten Artikel über den neuen Song von Shain Najafi “Aufrecht sterben” und alle weitere Neuigkeiten […]